Computer Integrated Manufacturing: Integrierte Fertigung im Druckbereich

CIM in der Druckindustrie:

CrossMedia-Publishing erfordert eine integrierte Produktion

Mehr Durchsatz, Produktionssicherheit, Flexiblität und Wirtschaftlichkeit – das sind die Wirkungen eines durchgängigen digitalen Workflow-Managements, das sich vom Design bis zur Druckmaschine zieht.

Das Computer Integrated Manufacturing (CIM) ist in der Druckindustrie ein vieldiskutiertes Thema. Zu unterschiedlich sind Prozess- und Betriebsstrukturen in unserer Branche, als dass man CIM hier so selbstverständlich wie im Maschinen- und Anlagenbau erwarten könnte.

Für den Betriebspraktiker, der die bunt zusammengewürfelten Produktionstechniken verschiedener Hersteller in seinem Unternehmen nur mit der Hand am Arm zusammenbringen kann, sind die CIM-Segnungen ein allzu verlockendes Versprechen. Kann er das glauben? Die Konzepte von MAN-Roland und Agfa haben bereits mehrfach bewiesen, dass es einlösbar ist. Vergleicht man beide Konzepte, entdeckt man rasch die Kernelemente eines CIM-Konzepts. Allerdings handelt es sich in beiden Fällen um „geschlossene“ Workflow-Lösungen, mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen; mehr dazu im Interview mit Dr. Michael Schaffner (Kasten). Und natürlich sind Agfa und MAN-Roland auch nicht die einzigen Anbieter von Workflowlösungen.

Kein Workflow ohne XML-JobTickets

Eine zentrale Voraussetzung für einen prozessübergreifenden Workflow ist das gemeinsam von Adobe, Agfa, Heidelberg und MAN Roland gemeinsam mit dem Fraunhofer-IGD entwickelte Job Definition Format (JDF). Diese neue Jobticket-Spezifikation für die grafische Industrie bietet neue Möglichkeiten der Prozessautomatisierung, optimiert den Workflow und ermöglicht den standardisierten Austausch von Auftragsdaten sowohl im Druck- als auch im Crossmedia-Publishing-Bereich. Das Job Definition Format ist ein offener, skalierbarer und Internet-kompatibler Jobticket-Standard. Er basiert auf dem PPF-Standard (Print Production Format) des CIP4-Konsortiums und den De-facto-Standards PDF (Print Definition Format) und PJTF (Portable Job Ticket Format) von Adobe. Mehr dazu auf www.cp4.org..

<Bild: CIP4-workflow.tif,
event. auch CIP4-Datei.tif>

In der grafischen Industrie sehen sich die Kunden heute mit Produktionssystemen von unzähligen Anbietern konfrontiert, die jeweils ihre eigenen Formate für die Datenübermittlung, die Dateiverwaltung, die Auftragsverfolgung und die Workflow-Integration haben. Keines der heute angebotenen Systeme ist in der Lage, den kompletten Workflow von der Inhaltsgenerierung über den Prepress-Bereich zur Druckerei und schließlich zur Nachverarbeitung und Verteilung von Mediaproduktionen abzudecken.

Vor allem gehört dazu der Austausch aller relevanten Auftragsdaten zwischen den Produktionsressourcen und den betriebswirtschaftlichen Anwendungen. Das offene, objekt-orientiertes Austauschformat PJTF auf XML-Basis definiert die Übergabe von Daten oder Metadaten, die die individuellen Merkmale eines Auftrags beinhalten.

Die vernetzte Druckmaschine

Im Jahr 1990 traf MAN Roland die für gesamte Druckbranche vorausschauende Entscheidung, digitale Betriebs- und Vernetzungstechnologien für seine Druckmaschinen einzusetzen. Heute sind bereits über 3500 digital-gesteuerte Maschinen im Einsatz und ca. 500 Unternehmen arbeiten mit vernetzten Druckmaschinen.

Das umfassende Elektronik-Konzept PECOM (Process Electronic Control, Organisation, Management) bietet den Druckereibetrieben einen Informationsworkflow, der wesentlich zur Senkung von Logistikkosten beiträgt. Es berücksichtigt dabei besonders die spezifischen Anforderungen im Illustrationsoffset und im Zeitungsdruck und verknüpft den Druckprozess (Rolle und Bogen) mit den vor- und nachgelagerten Produktionsprozessen, den Logistiksystemen und den Managementfunktionen.

Der bidirektionale Datenfluss erfolgt über ein serielles Bussystem sowohl horizontal zwischen den Fertigungsstufen (Vorstufe, Druck) als auch vertikal zwischen den einzelnen Betriebsebenen in Verwaltung und Produktion mittels Management-Informations-Systemen.

Alle Prozeßdaten und die Benutzerführung werden in einem modularen Leitstandkonzept über Farbbildschirme visualisiert. In der technischen Produktionsplanung (ProductionManager) erfolgt die Produktbeschreibung und Produktionsplanung, die vom Zentralrechner zur automatischen Maschinen-Voreinstellung abgerufen wird.

Rüstzeitverkürzung durch zentrale Voreinstellung

Eine zentrale Rolle spielt dabei die zentrale Voreinstellung der Produktionsmaschinen an einem Büroarbeitsplatz. Dazu gehört nicht nur die technische Auftragsvorbereitung mit entsprechender Voreinstellung der Maschinenparameter, sondern auch die zentrale Drucksaalsteuerung. Sie zeigt den aktuellen Fertigungsstand der Aufträge an den Druckmaschinen an.

Alle produktionsbezogenen Daten werden abgespeichert und können zur Auswertung oder bei Wiederholaufträgen abgerufen werden. Dadurch steht das Produktionswissen aus Voraufträgen an allen Maschinen zur Verfügung.

Waschvorgänge werden minimiert

Das Arbeiten mit Wiederhol- und Standardaufträgen steigert die Effizienz der Arbeitsvorbereitung und reduziert deutlich die teuren Maschinenrüstzeiten. Eine bessere Maschinenauslastung ergibt sich auch aus der Minimierung der Waschvorgänge, die die zeitintensivste Rüstkomponente darstellen.

Zeitaufwendige mehrfache oder falsche Eingaben, Missverständnisse und Rückfragen werden vermieden. Die Drucksaalsteuerung unterstützt kurzfristige Änderungen der Maschinenbelegung: sie führen nicht mehr zu Wartezeiten, denn die Voreinstelldaten können umgehend einer anderen Maschine zugeordnet werden.

Die Anzeige des Auftragsstatus im PressMonitor führt zur besseren Terminplanung und Leistungsdokumentation. Sie listet alle laufenden Aufträge, deren Komponenten und die Arbeitsschritte der Produktionsmethoden auf. Die Echtzeitüberwachung des Auftragsstatus reduziert vermeidbare Wartezeiten durch frühzeitige Problemerkennung.

PrepressLink zur Übernahme von Daten aus der Vorstufe

Der Transfer der Steuerungsdaten von der Druckvorstufe bis zur Maschine läuft über das Netzwerk. Das PrepressLink ermöglicht die Berechnung von Farbvoreinstellungen aus digitalen Daten der kompletten Druckform. Basis dafür ist der CIP4-Standard, den die Vorstufensoftware unterstützen muss. Die Bebilderungsdaten werden unabhängig von diesem Steuerungsnetzwerk übertragen.

In der Voransichtsfunktion können Formen auf Vollständigkeit überprüft und somit Druckprobleme im Voraus erkannt werden. Weitere Schnittstellen sind auch zu Plattenscannern und computergesteuerten Farbsteuerungszentren erhältlich.

Das ManagementLink verbindet Verwaltung und Technik

Den Datenfluss zwischen technisch-organisatorischem Bereich und der Administration ermöglicht das ManagementLink. Von einem Management-Informations-System (MIS) können Auftragsdaten direkt in die Auftragsdatenbank des JobPilot geschrieben werden. Die rechnergesteuerten Bogenoffsetmaschinen liefern automatisch Produktionsinformationen über das ManagementLink in die Verwaltungsebene.

Detaillierte Auswertungen erfolgen hier über ein Management-Informations-System wie das MIS von Optimus, ein MIS-Lieferant, mit dem MAN Roland eng zusammenarbeitet. Er hat Installationen in über 500 Betrieben mit 6000 Workstations auf vier Kontinenten. Bei einem MIS-System für Einsteiger sind sowohl Auftrags- als auch Kostenmanagement üblicherweise zwecks Online-Datenaustausch über ein Interface mit allen Produktionsbereichen verbunden. Weitere Funktion werden dann nach und nach hinzugefügt, wie z. B. Lagerhaltung, Fakturierung, Schnittstelle zur Buchhaltung sowie statistische und analytische Module. Die letzte Stufe ist die komplette Produktionsplanung, die alle Prozesse in eine zentrale Planungsübersicht integriert.

Zeitnahe Betriebsdatenerfassung

Die direkte Übernahme von Auftragsdaten spart Zeit und vermeidet Fehler. Die genaue und zeitnahe Betriebsdatenerfassung sowie die automatische Leistungsdokumentation im Logbuch für jeden Auftrag sorgt für  eine höhere Kostentransparenz. Die Reduzierung der Rüstzeiten und der Makulatur, die höhere Maschinenauslastung, leicht bedienbare Benutzeroberflächen, eine verbesserter Material- und Informationslogistik führen zusammen zu einer deutlich höheren Produktivität.

Die PECOM-Philosophie sieht auch eine automatische Betriebsdatenerfassung vor. Da aber bestimmte Informationen entweder nicht automatisch erfasst werden können oder sehr variabel sind, kann mit Hilfe eines Barcodelesestifts auch individueller benutzerdefinierter Codes (z.B. Ausfallzeiten beim Warten auf eine Platte oder einen Kunden) erfasst werden. Der Lesestift verfügt über eine Start-/Stopzeit-Verbindung und ist eine schnelle und zuverlässige Lösung für die Echtzeit-Dateneingabe.

<Bild MAN-Leitstand.tif,>
Bild: Am zentralen PECOM-Leitstand kann der Maschinenführer alle wichtigen Maschineneinstellungen vornehmen und überwachen.

<Bild MAN-Workflow.tif>
Bild: Auch die Vorstufenprozesse können in das Workflow-Konzept von MAN-Roland integriert werden.

Workflow-Lösungen für die crossmediale Vorstufe:
„From think to ink!

Agfa gehört mit dem 1997 vorgestellten Apogee- System zu den Vorreitern eines PDF-basierten digitalen Workflows. Ziel war ein Workflowkonzept, das von der Projektidee bis zum fertigen Printmedium und darüber hinaus bis zur Weiterverarbeitung reicht: „From think to ink! Mehr als 7.000 Anwender in aller Welt nutzen bereits Apogee als Management-Lösung für ihren Produktions-Workflow.

Drei Ansätze waren für die Entwicklung des Apogee-Systems maßgebend:

Die Notwendigkeit, eine einzelne digitale Master-Seite für verschiedene Medien und mehrfache Druckproduktionsläufe nutzen zu können

Die Sicherheit einer offenen Systemarchitektur für die nahtlose Integration mit Komponenten verschiedener Hersteller

Eine Brücke zwischen den Beteiligten im Produktionszyklus zu bauen.

Publishing beschränkt sich nicht mehr allein auf die print-orientierte Produktion. Die Kunden – Autoren, Designer/Grafiker und Verlagshäuser – verlangen zunehmend, dass eine einzelne Datei nicht nur als Druckbogen ausgegeben wird, sondern auch als Webseite im Internet eingestellt, auf CD-ROM veröffentlicht, an externe Proofsysteme weitergegeben oder auf digitalen Druckmaschinen ausgegeben werden kann. Wiederverwendbare digitale Inhalte und Workflows zur Automatisierung der medienübergreifenden Ausgabe sind somit heute wesentliche Bestandteile des Serviceangebots eines Druckbetriebs.

„Normalize Once - Render Many“

Das Workflow-Konzept von Agfa trennt Dateiform und Dateiinhalte voneinander und verwendet digitale Master-Dateien, um die Inhalte für unterschiedliche Möglichkeiten der Ausgabe weiter zu nutzen. Agfa unterstützt schon lange das „NORM-Modell“ (Normalize Once Render Many – einmal normalisieren, mehrfach ausgeben), bei dem das Konvertieren geräteunabhängiger Dateien in ausgabegerätespezifische Dateien bis zum letzten Verarbeitungsschritt hinausgezögert wird. Apogee erzeugt geräteunabhängige PDF-Dateien und kann auch mit RIPs und Ausgabegeräten anderer Hersteller konfiguriert werden.

In der Akzidenz-Vorstufe des Medienverbunds Donaukurier etwa beginnt der Workflow heute mit zwei Apogee Pilots. An diesen zentrale Management-Arbeitsplätzen erfolgt die Dateikontrolle und das Normalisieren zu PDF-Dateien; dadurch werden Fehlerquellen in der nachfolgenden Produktion von vornherein vermieden. Die gespeicherten Job-Tickets früherer Aufträge müssen oft nur geringfügig verändert werden - das spart Zeit und minimiert Fehlermöglichkeiten aus

Die Arbeitsvorbereitung beginnt schon bei der Datenquelle

Ein erfolgreiches Workflow-Konzept muss über die Druckvorstufe hinausgehen und auch die im Vorfeld beteiligten Partner wie Designer und Gestalter von Inhalten sowie die nachgeschalteten Partner in den Bereichen Finishing und Vertrieb integrieren. Nur dann kann die Produktion straffer organisiert und beschleunigt werden. Diese Brücke schlagen die Funktionen von Apogee Create und PrintDrive für das lokale und dezentrale Bearbeiten von Jobtickets und zur Ausgabeautomatisierung.

Apogee Create ist eine abgespeckte Version des Apogee Pilot und dient zur Vorbereitung von Dateien für den PDF-Workflow auf externen Layout-Stationen, etwa in Werbeagenturen. Die hier generierten PDF-Dateien sind workflow-optimiert: so wird vermieden, dass ein Design bei der Vorabkontrolle oder Korrektur unabsichtlich verändert wird. Alle Inhalte wie Anschnitte, Sonder- und Mehrtonfarben, Farbverläufe  oder colorierte TIFF-Bilder bleiben so erhalten, wie sie die Designer im Originaldokument anlegen. Ebenso sind alle Schriftfonts sowie Grafiken und Bilder in den jeweils erforderlichen Auflösungen in die Dateien eingebettet. Die Funktionen für Vorabkontrolle und Korrektur der Create-Software  basieren auf der Technik von Enfocus PitStop 4.0 und ermöglichen eine umfassende Preflight-Kontrolle vor der Weitergabe der Dateien an die nachgelagerte Produktion.

Die vom Designer erstellten portablen Jobtickets (PJTF) sind integraler Bestandteil der PDF-Datei und dienen als gemeinsame Informationsbasis, die während der weiteren Verarbeitung der Datei und der Produktion von allen Apogee-Komponenten genutzt wird. Dadurch kann das Druckunternehmen die Verantwortung für korrekte Daten dorthin geben, wo sie hingehört - zum Datenlieferanten.

<Bild APG_WFLW.EPS (bei H.Spies)>

Medienneutral bis zur Ausgabe

Der Ausgabe-Manager Apogee PrintDrive übernimmt schlanke, d.h. nicht mit ausgabegerätespezifischen Daten für Trapping, OPI-Bildaustausch oder Farbmanagement-Profile überlastete PDF-Dateien. Diese gerätespezifischen Daten werden erst im letzten Moment hinzugefügt, wenn die Datei just-in-time für die Ausgabe gerastert wird. Das Konzept der digitalen Master stellt sicher, dass alle im Workflow beteiligten Partner die digitalen Master kontrollieren, bearbeiten und für andere Zwecke nutzen können, ohne auf noch nicht normalisierte Originaldateien zurückgreifen zu müssen. Das Ergebnis ist ein entscheidender Produktivitätsgewinn.

Roland Dreyer

<Kasten 1>

UP3I: Vernetzungsstandard für den Digitaldruck

Was den traditionellen Druckmaschinen recht ist, wird dem Digitaldruck bald billig sein: eine neue Initiative von OCE, IBM, Hunkeler, Duplo und Stralfors ist dabei, einen Standard für die physikalische Vernetzung von Digitaldrucksystemen zu etablieren. UP³I – das Universal Pre- and Post-Processing Interface soll für eine einheitliche Prozesskontrolle im Digitaldruck sorgen. UP³I setzt auf den Standards IEEE 1394 (Firewire), SNMP („Simple Network Management Protocol“ - Netzwerkmanagement) und anderen RFCs („Request for Comments“ – Internetstandards) auf und soll lizenzfrei für alle Hersteller verfügbar sein. Das transparente Prozessprotokoll sorgt für ein einheitliches Eingabeinterface für alle Geräte im Drucksaal und eine schnelle Datenautobahn für die „höheren“ Standards wie JTF und PDF.

Mehr Informationen auf www.up3i.com.

<Bild up3i-workflow.tif>

</Kasten 1>

 

<Kasten 2: Interview mit Dr. Schaffner>

Computer Integrated Manufacturing in der druckindustriellen Praxis

DD sprach mit Dr.-Ing. Michael Schaffner,
BIOS media consulting, Berlin-Wuppertal-Prag,
www.schaffner.de.

<Bild: Schaffner.tif>
Dr.-Ing. Michael Schaffner (38) ist Unternehmensberater und Inhaber der BIOS Dr.-Ing. Schaffner media consulting, Berlin-Wuppertal-Prag. Sein Spezialgebiet ist Technologie- und Workflow-Management sowie Neue Medien und CrossMedia Publishing in der Druck-, Verlags- und Kommunikationsindustrie

DD: Wie sehen Sie die Entwicklung von CIM heute und im historischen Rückblick?

Schaffner: Computer Integrated Manufacturing steht für die Vernetzung aller am Produktionsprozess beteiligten administrativen, dispositiven und technischen Informationssysteme. Dies setzt die bereichsübergreifende Nutzung einer gemeinsamen Datenbasis und computergesteuerte Techniken auf der Leitungs-, Prozess- und Maschinenebene in breiter Front voraus. Vorreiter für CIM waren die Automobil-, Chemie- und Maschinenbauindustrie, die aufgrund ihrer Fertigungsstruktur ein großes Automationspotenzial bieten. Die auftragsbezogene und handwerklich-orientierte Fertigung in zudem eher kleinen und mittelständischen Unternehmensstrukturen waren und sind ein großes Handicap für die Einführung von CIM in der Druckindustrie. Erst langsam werden die notwendigen EDV-Basistechnologien wie z.B. ERP-, MIS-, BDE-, PPS-, Informations- und Steuerungssysteme eingeführt.

 

DD: Welche Rolle dabei spielt der Kunde?

Schaffner: Der Begriff CIM stammt aus einer Zeit, als sich das Management noch primär auf die rein internen Prozesse und auf die Rationalisierung

konzentriert hat. In einer modernen Adaption für unsere Branche sollte CIM daher auch die Sicht des Kunden und den Dienstleistungsgedanken  stärker einbeziehen. Schließlich beginnen die Workflows bereits dort und nicht erst, nachdem Sie die Schwelle unserer Betriebe überschritten haben.

 

DD: Haben offene Systemtechnologien zur Förderung von CIM beigetragen?

Schaffner: Nicht unbedingt. Zwar wurden die EDV-Einstiegsschwellen (z.B. Preise, Handhabung) drastisch gesenkt, was zu einer massiven Verbreitung von Rechner-, Datenbank- und Netzwerk-Technologien beigetragen und die Machtstellung der großen Lieferanten gebrochen hat. Aber wir haben es bislang nicht geschafft, diese für CIM so wichtigen Schlüsseltechnologien zu harmonisieren. Die typische EDV-Landschaft in einem grafischen Betrieb mutet wie zu babylonischen Zeiten an. Alle Systeme brabbeln miteinander, doch verstehen tun sie sich nicht.

 

DD: Ist es daher sinnvoll, sich auf etablierte Konzepte wie Pecom oder Apogee zu stützen?

Schaffner: Etablierte Konzepte setzen auf Standards auf (z.B. CIP3, PS, PDF), eine interne Paramaterisierung macht sie aber vielfach inkompatibel zu anderen Workflowkonzepten. Ich bezeichne diese Workflows daher als weitgehend geschlossen. Doch dies ist keineswegs negativ zu verstehen. Objektiv betrachtet, hatten wir zu Zeiten dedizierter Workflowsysteme sogar sehr viel stabilere Fertigungsabläufe als heute. Es spricht also einiges für etablierte, geschlossene Systeme. Offene Systeme werden nicht mehr speziell für die Druckbranche entwickelt und müssen angepasst werden, bieten aber auch mehr Flexibilität und Freiheitsgrade in der Konfigurierung. Die Integrationsverantwortung liegt jedoch beim Anwender und es müssen teils erhebliche Ressourcen in der Systemadministration bereitgestellt werden.

<Bild workflow.tif>

DD: Welche CIM-Komponenten sehen Sie heute als relevant an?

Schaffner: Grundsätzlich unterscheide ich zwischen technischen und organisatorischen Workflowsystemen. Zu den technischen zähle ich u.a. Datenprüfsysteme, Produktionsdatenbanken, Produktionsserver und Ausgabe-Workflowsysteme sowie Steuerungs- und Betriebsdatenerfassungssysteme. Die organisatorischen bilden u.a. die Branchen-EDV, Vertriebsinformations- und Kommunikationssysteme. Unter CIM sind alle Komponenten 100 % integrativ zu betreiben. Dies ist heute noch Fiktion, doch in wenigen Jahren wird es möglicherweise mit CIP4 (JDF-Jobticket) eine durchgängige Datenschnittstelle von der Branchen-EDV über Vorstufensysteme bis hin zu Druck- und Verarbeitungsmaschinen sowie wieder zurück geben. Auf der DRUPA hat Heidelberg mit WinKaar, Jetbase, Signastation, Prinergy, DataControl, CP2000 und Compucut/Compufold einen Prototypen vorgestellt. Verschiedene Organisationen, wie die EUPRIMA, fördern die JDF-Entwicklung. Bis jedoch JDF durchgängig verfügbar ist, sollte man schon mit dedizierten Schnittstellen CIM-Erfahrungen sammeln.

 

DD: Worin sehen Sie in Ihrer Beratungspraxis die größten Hürden bei der Umstellung auf eine computerintegrierte Produktion?

Schaffner: Die organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen entscheiden über Erfolg oder Misserfolg. Was nützt beispielsweise ein digitaler Workflow, wenn nicht festgelegt wird, an welchen Wegemarken die digitalen Werkstücke wann, durch wen und wie geprüft werden. Die Immaterialität der Werkstücke und Informationen lässt Menschen nachlässig werden. Daher ist auch der Datendisziplin größte Aufmerksamkeit zu schenken. In einer CIM-Organisation wächst der Informationsbestand synchron mit dem Fertigungsablauf. Jeder muss sich darauf verlassen können, dass die Informationseinträge der Vorgänger richtig sind. Ein permanentes Fehlersuchen führt CIM ad absurdum.

 

DD: Wie soll ein Unternehmen bei der Umstellung auf CIM vorgehen?

Schaffner: Zunächst mit einer glasklaren Vision, denn CIM ist Chefsache. Fehlt eine deutliche Parole, bis wann ein Unternehmen transparent durchstrukturiert werden soll, wird auch kein Projektmitarbeiter konsequent mitziehen. Anschließend ist die Organisation auf den Kopf zu stellen und in eine neue Struktur zu überführen, denn Verantwortungs- und Kompetenzbereiche sowie Informationswege werden revolutioniert. Nicht zu vergessen ist auch die Außenwirkung. Die Modernisierung eines Betriebes bietet gute Anlässe für Öffentlichkeitsarbeit, doch dürfen Werbeaussagen nicht auf Preisnachlässe reduziert werden. Gute Argumente für einen stabilen oder gesteigerten Preisspiegel können Produktionssicherheit, kurze Reaktions- und Durchlaufzeiten, hoher Qualitätsstandard, größere Flexibilität bei kleinen Losgrößen etc. sein. Bei der technischen Planung ist auf die bereits oben erwähnte, ganzheitliche Technologiestruktur zu achten. Eine aktuelle Marktstudie über Produktionsdatenbanken ist seit dem Jahreswechsel verfügbar - die über die BIOS media consulting oder dem IRD bezogen werden kann.

 

DD: Welche Rolle spielt die CrossMedia-Datenbank in einer integrierten Medienproduktion?

Schaffner: Eine ganz zentrale. Zwar lässt sich eine Vorstufe auch über disziplinierte Filestrukturen und Archivkonzepte bis zu einem gewissen Grad recht gut organisieren. Die Belastungs- und Servicegrenzen werden jedoch mit neuen Dienstleistungen schnell erreicht. So sind Database-Publishing, Katalog-Produktionen, mehrmediale Produktionswege und eBusiness-Lösungen ohne CrossMedia-Datenbank nicht denkbar.

 

DD: Wie wichtig ist die Anbindung von Standards, etwa beim Farbmanagement?

Schaffner: Colormanagement hat die Betriebe noch nicht in dem Maße erreicht, wie noch vor Jahren von Spezialisten prognostiziert. Doch unsere Kunden werden anspruchsvoller. Neben den Produktionsdaten sind zukünftig für Wiederauflagen oder Daten-Mehrfachverwendungen auch unterschiedlichste Typogramme, ICC-Profile und Einstellparameter für differenzierte Kunden- und Produktionskonstellationen zu verwalten.

 

DD: Wie stehen Betriebe da, die immer noch in ausgabespezifischen Formaten (CMYK, EPS) speichern?

Schaffner: So wie sie immer standen - als Spezialisten für Printaufträge. Dies ist zunächst nicht weiter schlimm, denn nicht für jeden der 14.000 deutschen Betriebe ist CrossMedia ein Thema. Die Firmen sollen schließlich keinem hippen Trend folgen, sondern den Wünschen ihrer Kunden. Daten können durchaus medienspezifisch gespeichert werden, sofern sie medienspezifisch eingesetzt werden. Der Vertrieb muss in Beratungsgesprächen jedoch die Frage nach medienneutraler Datenhaltung stellen. Es gibt aber auch Produkte, die jederzeit den Einsatz von medienneutralen Dateiformaten rechtfertigen, da sie auch die konventionellen Produktionsverfahren optimieren - ich denke hier beispielsweise an strukturierte Daten in SGML/XML.

 

DD: Wer übt mehr Druck auf die Druckindustrie aus, den CIM-Weg zu gehen: die Kunden oder die eigene Einsicht der Unternehmer?

Schaffner: Wenn es einem Kunden gelingt, Druck auszuüben, ist es für ein Unternehmen bereits zu spät. In neuen Technologie- und Produkt-Märkten gewinnen nur jene Unternehmen, die vordenken und aktiv den Markt gestalten. Oder anders: Nur bei rechtzeitiger Einsicht eines Unternehmers können die wahren Leistungspotenziale von CIM ausgeschöpft werden. Wird ein Unternehmen durch Kunden gedrängt, dreht sich meist alles nur um eines - den Preis. Dies wäre die schlechtere Alternative.

Das Interview mit Dr. Schaffner führte Roland Dreyer

 

<Bild: Workflow.tif>

Abbildung: Workflow-Management ist die Umsetzung von CIM in der Praxis. Dies umfasst die Planung, Steuerung und Überwachung betrieblicher Abläufe (Controlling) sowie die Automation von Arbeitsvorgängen im organisatorischen und technischen Umfeld (Substitution von manueller Tätigkeit). Wichtig ist der geschlossene Regelkreis, bei der Abweichungen vom Soll rechtzeitig zu neuen Planungs- und Steuerungsinformationen führen. Fehlt dieses Feedback, existiert zwar noch ein Workflow, doch kein Management. Unterschieden wird der organisatorische Workflow, bei dem über Management-Informations-Systemen Menschen mit Organisationsdaten versorgt werden, und der technische Workflow, der Betriebsmittel über Prozessdaten in den Material- und Datenfluss einbindet.

</Kasten>

 

<Kasten 3: Web-Links>

Weitergehende Informationen finden Sie auf diesen Internetseiten.

www.job-definition-format.org

www.learnpdf.com

www.digitalroadmaps.com

www.cip4.org

www.man-roland.de

www.up3i.com

</Kasten 3>